LINE UP

Die Galerie [ Der Lokschuppen ] zeigt in ihrer neuen Ausstellung Malerei von Anja Mamero und Skulpturen von Berthold Grzywatz. Die in Hamburg geborene Anja Mamero hat zunächst Industriedesign studiert und als Produktdesignerin in Kiel gearbeitet. Seit 2004 ist sie als selbständige Designerin tätig. Vier Jahre später erfolgte eine grundlegende künstlerische Neuorientierung, die von mannigfachen Kunstprojekten begleitet wird, ehe sie 2018 Studentin an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel wird. Zwei Jahre später schließt sie das Studium als Master of Fine Arts im Bereich Malerei ab.

Als Stipendiatin der Stiftung Kunstfonds und der Muthesius Kunsthochschule kann sie die künstlerische Arbeit in ihrem Kieler Atelier fortführen. Die Teilnahme an der deutsch-dänischen Ausstellung „Experimenter/Experimente“ im Roten Palais des jütländischen Augustenborg dürfte ein wichtiger Erfolg dieser Tätigkeit sein.

Das zentrale Gestaltungs- und Formelement der Malerei von Anja Mamero bildet die Linie, horizontal oder vertikal, gebündelt oder seriell, auf einer Basis fest aufstrebend, durch Rahmung in der Dynamik eingefangen oder in der Fläche spontan verdichtet, schräg, diagonal, mit breitem Pinselstrich aufgetragen. Die Flächen ihrer Bilder, in der Regel mit Öl als Grundlage, sind vielfältig geschichtet, von hell bis dunkel präpariert und farblich sparsam nuanciert. Die Konstruktion der Linien beruht häufig auf einer manuellen Arbeit, indem sie mit dem Messer mit unterschiedlicher Breite und Dichte in die Farbflächen geritzt werden. Die rhythmische Regelmäßigkeit in der Fläche erfährt durch die handgeführte Ausführung eine Ambivalenz für das Sehen: Was aus für den fernen Blick wie ein ornamentales Muster wirkt, erweist in der Nähe als ein bewegtes Gespinst mit multiplen Zwischenräumen.

Die auf der Basis der Linie gegründete Malerei Mameros mag einem organisierten Plan, einer systematischen Methode nach einem festgelegten Konzept, dem Prinzip der Wiederholung unterworfen sein, die Reihen freilich, d. h. die Wiederholungen und Variationen der Linie, verkörpern dennoch nicht Stillstand, gleichsam ein Einfrieren der Zeit, sondern Intensität, Energie und nicht zuletzt Bewegung, die jeder Abgeschlossenheit von der Welt entgegentreten.

Wenn nach der Funktion der Linie in den skulpturalen Arbeiten von Berthold Grzywatz gefragt wird, so lässt sich ohne Zweifel sagen, dass sie ein strukturgebendes Element ist: nicht in Form eines Rasters, sondern als Inventar der Komposition. Die Flächen seiner im Sandgussverfahren ausgeführten Werke folgen einer auf Beziehungen aufgebauten Ästhetik, die das Bildgefüge der Objekte, mithin deren Oberflächen, spannungsreich konstruieren. In das Konzept differierender Texturen zwischen Bewegung und Ruhe bricht die Linie ein, manchmal unmerklich, kaum wahrnehmbar, manchmal offen, dynamisch, mit Überlagerungen, mit freien und organischen Formen. Unterdessen immer in der Absicht, die Widersprüchlichkeit der Welt, ihre durch Zerrissenheit und Undurchschaubarkeit geprägte Einheit in der situativen Gestaltung zum Ausdruck zu bringen.

[Berthold Grzywatz]