Twin I, 2021, Öl auf Leinwand, 180 x 180 cm
Die Künstlerin die Linien wieder neu entdeckt. Die präziesen, mit einem Werkzeug gezogenen Linien früherer Werke sind fast unsichtbar geworden. Neue Linien tauchen auf. Das Thema der unvorhersehbaren Ungenauigkeiten in der Linie ist jetzt vom Pinselstrich der Ölfarbe bestimmt. Es ist die Freiheit der Künstlerin, die Linie so akkurat zu zeigen, wie es in der Ölmalerei möglich ist, oder auch nicht. Sie spielt mit der Materialität der Ölfarbe selbst. Der Auftrag der Ölfarbe bestimmt die Einzigartigkeit der Linien. Eine neue Wertigkeit der Linie erreicht die Künstlerin durch die Farbigkeit. So blitzen hier und da die Linien durch den Hintergrund auf. Mit diesen Durchdringungen erreicht sie die gewünschte Spannung im Bild. Die verschiedenen transparenten Schichten und die größzügigen Pinselstriche verstärken die Tiefen des Hintergrundes. Er steht mit den Linien in einer engen Beziehung des Gebens und Nehmens. Mal dominiert der Hintergrund, mal die Linien. Sie sind schwungvoll, sichtbar und fett. Sehr präsent und wild sind sie mit einem breiten Pinsel aufgetragenen. Die Künstlerin schafft dadurch eine neue, spürbare Ungeduld und erzeugt den Wunsch, ins Bildgeschehen eintauchen zu wollen. Auch stimmt Sie uns auf neue Farben ein, ein fettes Gelb im Kontrast mit einem satten Schwarz. Dennoch bleibt eine Leichtigkeit erhalten, welche durch die vielen hochverdünnten Ölschichten entstanden ist. Die spannungsreiche Bildkomposition kommt einer Explosion gleich. Ein Ausbrechen, eine Weiterentwicklung die nötig war, um den Kopf frei zu bekommen. Im Groß-Format von 180 x 180 C-Metern findet die Künstlerin mal wieder ihre körperlich Herrausforderung. Dieses Gefühl an seine Grenzen zu gelangen ist zwingend notwendig, um die innere körperliche und geistige Spannung zu erhalten. Am Ende wird klar: Das Bild braucht noch einen Zwilling, so allein ist es zu heftig. Einen Freund der das Kräftige wieder auffangen kann. Das zweite Bild spielt noch mehr mit der Linie, die mal gesehen werden will und mal nicht. Die Leichtigkeit der Transparenzen wird auch hier deutlich, Höhen und Tiefen wechseln sich ab. Die Linien finden Ihren Weg und unterstützen den bewegten Hintergrund. Die beiden Bilder sind in ihrer Präsenz unterschiedlich und doch können sie nicht ohneeinander, Zwillinge eben, wie die Künstlerin. Diese hat den sensiblen, feinen, grauen Hintergrund vorangegangener Arbeiten verlassen, um dem Gelb und Schwarz Raum zu geben. Raum für eine Zukunft, für die so lange keine Zeit war.